Am
1. August machten sich 9 Mitglieder der FAPP (Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in
der Psychotherapie) auf eine 8-tägige Reise nach Finnland. Dr. Anna-Kaisa
Juuti, und Dr. Marja-Leena Yrjölä, beide aktive Gründungsmitglieder der FAPP, hatten zu diesem kollegialen Treffen eingeladen.
Erster
Zielort war Uusikaupunki, eine kleine Stadt an der Südküste Finnlands. Das
„Programm“ begann mit einer eindrucksvollen Führung durch die
Psychiatrische Klinik der Stadt, die Frau Dr. Juuti als Chefärztin leitet.
Die
Klinik verfügt über 70 Betten, einschließlich einer Außenwohngruppe, in der
sich Patienten vor der Entlassung auf ein selbständiges Leben vorbereiten können.
Auffallend war die heitere Stimmung, die in den hellen Räumen jeder Station und
auch in den Arbeitsbereichen herrschte, und die freundliche Gelassenheit der
MitarbeiterInnen. Frau Dr. Juuti führt das Therapeutische Reiten mit einzelnen
PatientInnen der Klinik selbst durch. Nach einem Eingangsvortrag konnten wir die
private Reitanlage besichtigen. Die Pferde sind – bis auf einige Wochen im
Sommer – in einem Stall am Rande der Stadt untergebracht. Ein wunderschöner
Reitplatz mitten im Wald und einsame Waldwege bieten hier eine Atmosphäre von
Intimität und Abgeschiedenheit, die für die therapeutische Arbeit wie
geschaffen ist. Mensch und Pferd begegnen sich hier im gemeinsamen Ursprung der
Natur, und die Seele kommt zur Ruhe.
Die
nächste Station der Reise war Frau Dr. Juutis Sommerhaus. Hier verbringen die
Pferde einige Wochen im Sommer auf der Weide. Neben 2 New Forest Stuten und
einem Shetlandpony arbeitet Frau Dr. Juuti mit einem eindrucksvollen Tori-Pferd.
Diese Rasse hat ihre Wurzeln in Estland. Aus der Kreuzung alter estnischer
Pferde mit englischem Vollblut und deutschem Warmblut, sind Pferde entstanden mit
stabilem Fundament und zuverlässigem Charakter, ruhig und lebhaft zugleich. Das
Therapiepferd „Hesse“ (benannt nach Herrmann Hesse) hat eine außergewöhnliche
Lebensgeschichte. In den ersten 6 Lebensjahren als Hengst mit wenig Kontakt zu
Menschen aufgewachsen, war er kaum zu bändigen. Frau Dr. Juuti konnte ihn
seinem damaligen Besitzer abkaufen, dem es
schließlich mit viel Geduld und Zeit gelungen war, das Pferd an den
Umgang mit Menschen zu gewöhnen. Nach weiteren Jahren der Ausbildung besteht
heute zwischen „Hesse“ und seiner Besitzerin eine Beziehung voll
gegenseitiger Achtung, Respekt und Zuneigung. „Um mit „Hesse“ umzugehen,
muss ich sicher und stark, ruhig, klug und gerecht sein, einfach alles, was
einen „guten Menschen“ ausmacht. Die Chance, diese Beziehung zu erleben, möchte
ich auch meinen Patienten geben“.
Die
2 Hälfte der Reise verbrachte die Gruppe bei Frau Dr. Marja-Leena Yrjölä auf
ihrem Hof in Ristijärvi, nahe der Russischen Grenze. Hier im Norden zeigt sich
das Land von einer nahezu unberührten, „wilden“ Seite. Hier lebt Frau Dr.
Yrjölä mit ihren vier Pferden zusammen, und führt eine psychotherapeutische
Praxis, zu der die Klienten teilweise bis zu 50 km weit fahren – auch im
Winter.
Frau
Dr. Yrjölä ist Ärztin und Psychologin mit einer psychoanalytischen
Ausbildung, die einzige Reittherapeutin in Nordfinnland, die in der Psycho-
therapie für Erwachsene mit Pferden zusammenarbeitet. Neben einem Englischen
Vollblutwallach und einem Hannoveraner, setzt sie in der Therapie hauptsächlich
ein Finnpferd ein, eine 13-jährige Stute mit einem sanften Charakter und viel
Temperament. Die Finnpferde werden ausschließlich in Finnland gezüchtet. Es
gibt verschiedene Linien, vom Reitpferd über den schwereren Typ des
Arbeitspferdes bis zum Traber.
Frau
Dr. Yrjölä arbeitet mit teils sehr schwer psychosomatisch erkrankten Menschen,
die zum Teil vom Krankenhaus der Region überwiesen werden. Sie konnte
eindrucksvoll zeigen, wie sich selbst sehr kritische und „festgefahrene“
Therapieprozesse durch die Hilfe des Pferdes lösen und weiterentwickeln.
Zusammen
mit Frau Dr. Juuti bietet sie im Sommer eine Gruppe „Frau und Pferd“ an,
eine Gruppe, die über ein verlängertes Wochenende in der finnischen Einsamkeit
zusammenlebt und gemeinsam mit den Pferden einen Prozess der Begegnung,
Selbsterfahrung und persönlichen Entwicklung durchlebt.
Eine
Ausbildung für Therapeutisches Reiten gibt es in Finnland seit Anfang der 80er
Jahre, entstanden durch die Zusammenarbeit mit Kolleginnen aus der Schweiz, die
ihr Ausbildungskonzept nach Finnland brachten. Die therapeutische Arbeit mit
Pferden in Finnland verlangt von den Therapeut-
Innen viel Kreativität, umfangreiches Wissen und die Bereitschaft, erhebliche körperliche
Belastungen auf sich zu nehmen. Frau Dr. Yrjölä erzählt, dass sie im Winter
bis minus 25 Grad reitet; erst wenn das Thermometer tiefer fällt, gibt es eine
Pause. Da die Tage im Winter kurz sind, kann sie oft nur mit einer Stirnlampe
reiten. Eine Halle gibt es nicht. Durch weite Entfernungen und oft schwierige
klimatische Bedingungen muss eine Therapeutin mit zahlreichen Anforderungen
alleine fertig werden. Der Lohn ist eine unvergleichlich nahe und tragende
Beziehung zwischen Mensch und Pferd in einem Umfeld, in dem sich beide bewähren
müssen.
Am
Ende der Woche waren alle dankbar und begeistert von einer Gastfreundschaft, die in ihrer Herzlichkeit ihresgleichen sucht; erfüllt von der
stillen Unberührtheit des Landes und den gemeinsamen Erlebnissen, und voller
Vorfreude auf die weitere Zusammenarbeit in der FAPP.
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